Musiktheater von Vicki Schmatolla & Alex Holtsch, Text von Felicia Zeller. Auftragswerk der Pocket Opera Company Nürnberg.
Jeder Tag im Jahr ist ein Gedenktag – doch wer gedenkt? Freak, Assi und Laubhaufen gründen eine Aktions-Gedenkgruppe, mit der sie jeden dieser Tage aktiv begehen wollen. Romane schreiben am Weltromantag, dichten am Welttag des Gedichts, schlafen am internationalen Tag des Schlafs. Mit ihrem Projekt, jeden Welttag in einer ganzjährigen Live Performance zu begehen, nähern sie sich gleichzeitig der sogenannten Popliteratur. In dem sie ihren Alltag archivieren, verbunden mit ständiger Selbstdarstellung, versuchen sie auch auf ironische Weise darzustellen, wie es ist, ständig jegliche Information zu verarbeiten. Die musikalische Bearbeitung der Sprache führt die Figuren immer wieder an die Schmerzgrenze der Verausgabung, unterstreicht und unterläuft die von außen gesetzte Maßstäbe, füllt da Sehnsucht ein wo nur Einöde ist.
„Das Jahr der Freiwilligen“, zeigt drei Figuren unserer bankrotten Gesellschaft. Alle drei sind auf unterschiedliche Arten gegenwartsflüchtig, brüchig und unvollständig, was sich auch in ihrer Sprache zeigt. Das von der Autorin als „Sprach-Musiktheater“ konzipierte Stück entwickelt sich in Kooperation: Darstellende Künstler, Sänger und Schauspieler werden eingeladen, die Texte auf unterschiedlichste Weise zu lesen. Mit diesen Tonbandprotokollen arbeiten die beiden Musikerinnen und die Autorin , erfinden im Studio die Geräusche und Melodien, die unter, zwischen, neben die gesprochenen Worte eingepasst werden . Dieser Prozess wird dann mit den Sängern und Schauspielern im Wechsel fortgesetzt, bis für die endgültige Fassung die Spuren, die von den Schauspielern/Sängern live präsentiert, von den Musikern live gespielt werden sollen, vom Band gelöscht werden. Die innovative Vorgehensweise bestimmt die Produktion und verspricht ein progressives Ergebnis.
Mit dem Jahr der Freiwilligen nimmt die POC wieder aktuelle tagespolitische Bezüge auf – die Willkürlichkeit des Gedenkens, die mediale Überflutung, die Orientierungslosigkeit in einer sich immer schneller neu bewerteten Sinnfrage der Gesellschaft. Nicht der Einzelne und dessen Standort zählt, sondern seine Katalogisierung in gesellschaftliche Rituale – ohne diese transparent zu gestalten oder aber zu hinterfragen.
Auch die Präsentation des Stückes unterscheidet sich stark von den Aufführungen der POC in diesem Jahr. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen vier Schauspieler (Silke Buchholz, Matthias Rott, Tilo Werner und Frank Wiegard), die musikalisch in Szene gesetzt werden durch Vicky Schmatolla und Alex Holtsch (live improvisierte Musik und Sprache), sowie durch den Countertenor Hubert Wild.
Uraufführung: 19.November 2004, 20:00 Uhr in Nürnberg, Tafelhalle
im Rahmen des Festivals
„Pegnesische Tonkünste“
weitere Aufführungen im Festival am 20. und 22. November 2004, 20:00 Uhr