Fürther Nachrichten vom 2. Juli 2012
Prachtvolle Entdeckung
Sommernachtspiele mit stimmungsvoller Barockoper
Eine Entdeckung: Die Sommernachtspiele Schloss Burgfarrnbach eröffneten am Freitagabend ihre Saison 2012 mit einer beinahe vergessenen Barockoper. In den Händen der Nürnberger Pocket Opera Company wird „M.O.M. – The Mystery of Monastery“ von T.A. Arne zu einem gewitzten Vergnügen.
Thomas Augustine Arne hat Pech gehabt. Seine Zeitgenossen nahmen ihm seinen Lebenswandel krumm, nannten ihn einen Lebemann und Wüstling. Vor allem aber war da jener Georg Friedrich Händel, der dem Kollegen immer und überall den Rang ablief. In zwei Fällen hat Arne allerdings die Nase vorn. Er komponierte Englands inoffizielle Nationalhymne „Rule, Britannia“. Und er kommt jetzt in Burgfarrnbach zu Recht ganz groß raus.
Gut möglich, dass es dem einen oder anderen mutig erscheint, die Sommernachtspiele ausgerechnet mit einer Oper zu schmücken, die anno 1740 uraufgeführt wurde und es nun höchstwahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt auf eine deutsche Bühne geschafft hat. Unbestritten ist jedenfalls, dass diese Entscheidung schlau war. Wie gewohnt geht die furchtlose Truppe der Pocket Opera Company unerschrocken ans Werk und bringt zum Funkeln, was sich als Prachtstück entpuppt: Arnes Musik, die melodisch, ideenreich, einschmeichelnd und energiegeladen ist.
Eine überwältigend patriotische Geschichte war es, die Arne seinen Zeitgenossen auftischte. Für jeden Nicht-Insulaner ist die tapfere Heldenstory rund um den mystischen König Alfred, der im 9. Jahrhundert den Wikingern das Fürchten lehrte, nicht ganz so aufregend. Mit leichter Hand wird auf der Sommernachtbühne daraus ein Epos, das darauf anspielt, was man auch hierzulande an englischen Eigenheiten goutiert. Ganz weit vorne in der Gunst liegen dabei zweifellos Könige und Co. – wie sonst ließen sich die üppigen deutschen TV-Einschaltquoten erklären, wenn William seine Catherine heiratet? Im stimmungsvollen klassizistischen Schlosshof in Burgfarrnbach gibt es jetzt Royales im Zeitraffer. Es wird gestritten, geliebt und gestorben Die Heroen der Geschichtsbücher tauchen auf.
Heinrich VIII. ist dabei, leider hat er den Henker im Schlepptau, was nicht allen seinen Ehefrauen bekommt. Endlos-Queen Victoria tritt auf und natürlich die unermüdliche Elizabeth unsere Tage. Und, nein, wir müssen nicht auf lovely Diana und sweet Kate verzichten, denen eigentlich nur ein hinreisend kauziger Prinz Philip den Rang ablaufen kann.
Regisseur Tilman Hecker hat dafür ein wunderbar schlichtes und klug reduziertes Konzept entwickelt. Jeder Schritt scheint durchdacht und öffnet den Blick auf ein Heer von Anspielungen. Das ist ein echtes Seh-Vergnügen, auch dank der radikal auf das Wesentliche fokussierten Kostüme (Kristopher Kempf). Die sechs Solisten Susanne Breu, Gertrud Demmler-Schwab, Eva Marie Pausch, Johannes Reichert, Florian Neubauer und Robert Eller spiegeln diesen Entwurf mit lebhaften, agilen Stimmen, die endlich die zauberhaften Airs zu dem machen, was sie sind: wunderschöne Musik, der jener Hauch von Patina, der auf ihr liegt einen besonderen Charme verleiht.
Einen hervorragenden Job macht Franz Killer, der nicht nur für die Musikalische Bearbeitung verantwortlich zeichnet, sondern auch das originell und intelligent zusammengesetzte Orchester leitet. Am Ende scheint es, als habe dieser Spielort nur auf genau diesen Abend gewartet. Und jetzt bitte alle mitsingen: „Rule, Britannia…“ SABINE REMPE
Nürnberger Nachrichten vom 2. Juli 2012
Britanniens Geschichte im Zoom-Vorlauf
Die Pocket Opera Company reanimierte Thomas Arnes Opernpasticchio „King Alfred“
Der Prince of Wales ließ zum Geburtstag seiner Tochter das Stück vor 270 Jahren im Schloss von Clivedon spielen. Jetzt exhumierte die Nürnberger Pocket Opera Company (POC) das englische Maskenspiel „King Alfred“ bei den Sommernachtsspielen in Burgfarrnbach.
Für den britischen Spaß machte sich das Publikum mit Einstecktuch und Bermudas samt Kniestrümpfen extra fein, genoss schottische Rosenbowle und „Cock-a-Leckie-Soup“: Klein-Glyndebourne vor den Toren Fürths.
Zum diamantenen Thronjubiläum der Queen war königliches Vergnügen angesagt. Schon die Theaterzeitung ließ die englische Geschichte hochleben zu Ehren dieses “Alfred”, den Sieger über Wikinger und Bewahrer der christlichen Kultur. Thomas Arne, Händel-Zeitgenosse, beherzter Trinker und Sargmacher- Sohn, hat für seine Oper-Ballett-Schauspiel- Mixtur zusammengeklaubt, was damals an Londons Theatern erfolgreich war: “Eintagsmusik” urteilt die Musikgeschichte.
Bis auf die Quasi-Hymne „Rule Britannia“, die flaggenschwenkend am Schluss im Fürther Vorort-Schlosspark gesungen wird: dazu Feuerwerk aus dem Lautsprecher und Wunderkerzen an den Kulissen.
Auch sonst setzt das Regieteam (Tilman Hecker, Florian Reichardt, Kristopher Kempf) auf Sparsamkeit und konsequentes Schwarz-Weiß wie einst Thomas Hengelbrock bei Purcells „King Arthur“.
Das Team spart aber nicht mit Stationen der englischen Geschichte zu Arnes Musik. Obwohl ein putziger Chronist eifrig mitschreibt – es dauert, bis man mit diesem History-Pasticcio klar kommt, ist mitten in den Rosenkriegen. Schnell wechseln die Perücken zu Elisabeth I., wird Shakespeare verwurstet – da schwant einem schon, dass die POC vor Lady Di, Kate und William nicht Halt machen wird.
Kein Zucker in Burgfarrnbach
So kommt es dann auch bis weit in die Sommernacht hinein: „Help this island“, singt der papierbekrönte Alfred, ritsch-ratsch lässt Heinrich VIII. seinen Ladies die Kehle durchschneiden, zwischendrin gibt es Tee und den Running Gag „Kein Zucker in Burgfarrnbach“, Schauspieler-Smalltalk, großes Opernlamento und eher wenig Spaß.
Hecker schickt seine sechs Sänger (stellvertretend genannt als Counter mit schönem Firnis: Johannes Reichardt) edel schreitend ausgiebig auf Prozessionen und Paraden. Pfiffig gelingt mit viel Pulverdampf der Anfang von Englands Seeherrschaft: Da schimmert die Ironie durch, die man ausgiebiger über Englands Geschichte hätte streuen können, die aber vor allem in der neu instrumentierten Musik ausgiebig durchklingt: Was auf der Bühne getragen dahinschlurft, gelingt im Orchesterzelt unter der Leitung von Franz Killer putzmunter mit Saxophon und klimpernder Percussion. So schön auch die Premiere war, das richtige England-Feeling brachte erst die zweite Vorstellung mit Donnerhall und Regen satt. UWE MITSCHING
Neue Musikzeitung vom 3.Juli 2012
Lady Di und ihre Mörder-Paparazzi: Thomas Arnes spätbarocke Oper „The Masque of Alfred“ als „Mystery of the Monastery“ bei der Pocket Opera Nürnberg
Ins England des Jahres 871 führt die Handlung der Oper „The Masque of Alfred“ des Händel-Zeitgenossen Thomas Augustine Arne (1710–1778), mit einer Hommage auf Alfred den Großen. Die lange vergessene Oper hatte die Pocket Opera Nürnberg als „Mystery of the Monastery“, kurz „M.O.M.“, angekündigt. Die „Masque“ wird als eine königliche Maskerade, quer durch die Zeiten, gedeutet.
Von Peter P. Pachl
Im Hof des Schlosses Burgfarrnbach bei Fürth, seit einigen Jahren Spielstätte sommerlicher Open-Air-Aufführungen, agieren die Sängerdarsteller in schwarzen Kostümen mit zumeist weißen Attributen. Weiß sind auch ihre Requisiten, etwa flache Gewehrattrappen. Auf der leeren, schwarz ausgeschlagenen Bühne unter einem Zeltdach, werden die jeweiligen Schauplätze der Handlung durch ausgeschnittene Beistiftskizzen an Stangen signalisiert. Die spätbarocke Abfolge von Affekten zwischen Liebe und Verzweiflung, Kämpfen zu Land und einer Schlacht zur See, erfolgt in englischer Sprache. Geschichtsschreiber in goldenen Umhängen vermitteln auf Deutsch kurz die im Spiel selbst kaum ersichtlichen Zusammenhänge.
Bis auf den alle Aktionen stets unerbittlich unterbrechenden Five-o-clock-Tea als running Gag, wirkt die Handlungsführung, trotz eines Sprechquartetts und einer Lachorgie des Ensembles, arg redundant. Dies ändert sich erst nach der Pause: mit britischen Flaggen kommt erstmals Farbe ins Spiel; Tilman Heckers Inszenierung schlägt den Bogen in das 20. Jahrhundert und bis in die jüngste Vergangenheit – hilfreich unterstützt durch eingeschobene, Dialoge der Royalisten in deutscher Sprache. Da feiern die derzeit regierende Queen Elizabeth und ihr Gatte Philipp, sowie Charles, auf barocke Weise mit Staatsansprachen fröhliche Urständ, Diana wird von Paparazzi mit blitzenden Fotoapparaten zu Tode gejagt und Kate bereitet sich auf ihre Rolle als künftige Queen of England vor.
Die Sopranistinnen Gertrud Demmler-Schwab, Eva Marie Pausch und Susanne Breu, der Counter Johannes Reichert, der Bariton Robert Eller und der Tenor Florian Neubauer verkörpern die wechselnden Identitäten bei sommerlichen Extremtemperaturen großenteils mehr zuverlässig als prachtvoll. Erstklassig jedoch der solistische Instrumentalklangkörper, für den Franz Killer „The Masque of Alfred“ höchst originell orchestriert hat. Insbesondere die Melodieverteilung – im Wechsel von Pauken, Xylophon, Glockenspiel und Hackbrett – zu den Harmoniestimmen, mit vier Saxophonen, Cello und Kontrabass, und garniert mit virtuosen Trompetensoli (Paul Meiler), macht die Aufführung zu einem musikalischen Erlebnis.
Die sonst beim Bearbeiter und Dirigenten Franz Killer in den Produktionen der von ihm geleiteten Pocket Opera so beliebten Collagen barocker Kompositionen mit Musikstücken späterer Jahrhunderte, beschränkt sich diesmal auf jene Momente, in denen nachfolgende Generationen Arnes Partitur geplündert haben, von der Titelmelodie zu Agatha Christies „Miss Marple“, über „Go West“, bis hin zu Michael Nyman. Die uns geläufigeren, späten Versionen erklingen interludiert, nach dem jeweiligen Original von Thomas Arne. Und „Rule Britannia“, die heimliche britische Nationalhymne, häufig parodiert und bearbeitet, u. a. auch im Jahre 1837 von Richard Wagner als Konzertouvertüre, ist hier endlich einmal im Original zu erleben, als wirkungsvoller, krönender Abschluss von Arnes Oper „The Masque of Alfred“.
Nach knapp drei Stunden Aufführungsdauer geizte das Premierenpublikum nicht mit Applaus und Bravorufen.